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Es war ein arschkalter Nachmittag im Jänner. Könnte auch Februar gewesen sein. Arschkalt, aber trocken. Die Sonne schien, gerade noch.

Hannes hatte zu einer Demo gerufen. Wieder einmal hatte er sich über Regierung und Regierende aufgeregt so wie ich.

Welche Regierung, was passiert war – keine Ahnung mehr. Nicht wichtig. Wir regen uns dauernd auf.

Diesmal allerdings ein wenig mehr, das rief nach Tat, das rief nach Protest. Daher Demo.

Hannes hatte dazu auf der üblichen Plattform aufgerufen. Begeisterte Zustimmung, dutzende Zusagen, ungezählte Likes. Das versprach aufregend zu werden, meine Freunde, vielleicht sogar mit einem Schuss vom Ultrabrutalen. Genau das Richtige in der nachmittäglichen Winterlangeweile.

Am Treffpunkt war ich peinlich pünktlich. Keine Sekunde zu früh. Schließlich will man dem Gegner keine Anhaltspunkte über taktische Details, Mannschaftsstärke etc. liefern. Nicht vor der Zeit!

Da war Hannes. Er hatte zwei Transparente dabei. Ich schaute in die Runde. Etwas fehlte. Ich dachte nach. Dann hatte ich es.

Es waren die Hundertschaften. Die Schwestern und Brüder, die Liker im Protest gegen diese elende, reaktionäre, fade, einfallslose – wenn mir bloß einfallen würde…

Egal.

Ich sprach Hannes auf die überschaubare Mannschaftsstärke an. Hatten sich die kampflustigen Mitstreiter schlau und gut getarnt in der nahen Umgebung verborgen? Genialer Schachzug eines in unzähligen Schlachten gestählten Politkommissars?

Hannes ignorierte meine kleingeistigen Bedenken nicht einmal.

„Die Gabi ist in zwei Minuten da. Daun gemma (südliches Mühlviertlerisch/ Urfahr und Umgebung: Dann gehen wir)!“

Nun war ich beruhigt. Wir warteten auf Gabi!

Wer braucht schon Hundertschaften zähnefletschender, blutdürstiger, unerschrockener Kämpfer, wenn Gabi kommt?

Da blieb nur die Andeutung einer kleinen Unsicherheit, die etwas mit meinem Namens-/Gesichter-Gedächtnis zu tun hat. Wer war Gabi?

Zu meiner Ehrenrettung muss ich sagen, dass es in Hannes Leben Phasen gegeben hat, die mich diesbezüglich wirklich überfordert haben. Aber das hier war etwas anderes. Wir waren hier auf einer Demo, an der Schwelle zur endgültigen Solidarisierung der …egal, fällt mir noch ein, kurz, es war wichtig, es ging wirklich ums Ganze und darum fragte ich nur so beiläufig…

„Kennst net.“ (südliches Mühlviertlerisch/ Urfahr und Umgebung, grob geschätzt Ferihumerstraße: Kennst du nicht).

Die knappe Antwort wies auf höchste Konzentration des Feldherrn vor Beginn der Schlacht hin. Da fragt man dann auch nicht weiter nach. Außerdem, wenn schon unsere Hundertschaften nicht zu sehen waren, wo war der Gegner, wo die schwer bewaffnete Exekutive, die Wasserwerfer, das Tränengas, die Medien!?

Tja, Brüder und Schwestern, was soll ich euch sagen? Dann war Gabi da.

Und, Brüder und Schwestern, soll ich euch noch etwas sagen?

Wir waren die Demo! Und das war genug und es war gut.

Gabi ist ja einer dieser wunderbar offenen Menschen, bei denen man von der ersten Sekunde an das Gefühl hat, nach Hause zu kommen. Keine Spielchen, keine Allüren, eine Frau für jede Jahreszeit, wie man so sagt.

Kein Wunder, dass Hannes kaum eine Stunde später mit dem Hochzeitstermin herausgerückt ist. G‘scheiter Kerl. So ein Glück muss man ganz fest halten und nie mehr hergeben.

Und natürlich g’scheite Frau. Weil, so einen wie den Hannes gibt’s auch nicht an jeder Ecke.

Aber eigentlich, die Demo!

Was war das noch für ein legendärer Protestmarsch über die Ringstraße! Gabi und Hannes auf ihrer rosa Verliebtheitswolke, ich auf meiner ersten 3-Mann/Frau-Demo, was haben wir gekudert und geblödelt.

Am Parlament haben wir noch die Konkurrenzdemo auf der anderen Straßenseite gesehen, die waren immerhin zu viert, darum haben wir sie unbehelligt ziehen lassen. Ein Anfall von Milde.

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